Monday 12 September 2011

Interview mit Prof. Franz Hörmann zum Thema Ende des Geldes, Gesellschaftlicher Wandel und Wandel des Bildungssystems


source: Sophie Hörmann
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This is the original, German version of an interview with a renown Austrian professor for business studies and friend of mine, who is currently working on a system to replace the - very inefficient- monetary system with more sustainable options.
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Professor Doktor Franz Hörmann, geboren am 23. März 1960, und seit 1998 a.o. Professor für Betriebswirtschaftslehre am Institut für Revisions-, Treuhand- und Rechnungswesen der Wirtschaftsuniversität Wien, hat sich in Österreich in den letzten Jahren einen Namen als einer der aktivsten, vehementesten- und eloquentesten- Kritiker des vorherrschenden Geldsystems als Medium des Austausches von Gütern und Dienstleistungen gemacht.

Dieses basiert seiner Meinung nach auf mittelalterlichen Praktiken, maßgeblich der doppelten Buchführung, die für ihn dementsprechend unzeitgemäß sind, zudem wissenschaftlich irrelevant und im Sinne einer Wert-Schöpfungsgesellschaft schlicht untragbar. Letzteres vor allem, weil sie auf Schuld, und nicht Schöpfung von Werten basieren- Franz Hörmann spricht dabei von der Notwendigkeit, Geld in "Gelt" (d.h. angelehnt an das Wort "gelten") umzutaufen.

Seine neueren Veröffentlichungen, zuletzt „Das Ende des Geldes- Wegweiser in eine ökosoziale Gesellschaft“ treffen damit den Nerv der Zeit- vor allem in Zeiten der Krise, in denen die Diskussion um den Bestand bzw. die Sinnhaftigkeit eben dieses Systems im Rahmen der Bankenkrise zusätzlich Brisanz erhält.

Professor Hörmann ist dabei auch in seiner Tätigkeit als Professor jemand, der in der Lehre durchaus kritisch mit den Inhalten, die er vermittelt, umzugehen weiß- und dabei auch (laut) über praktikable Alternativen nachdenkt. Von der steigenden Popularität seiner Thesen (und der seines Co-Authors Otmar Pregetter) zeugt auch die steigende Zahl an Diskussionen und Interviews mit ihm in den größten österreichischen Zeitungen wie z.B. dem Standard und der Presse, sowie dem österreichischen Fernsehen.

A: Lieber Franz, du bist in Österreich ja derzeit einer der stärksten- und aktivsten- Kritiker des Geldsystems, und- in immer größerem Ausmaß- auch des herrschenden Zugangs zur Bildung. Wie, außer über Geld, könnte man nachhaltigeren Austausch von Leistungen und Gütern deiner Meinung nach noch betreiben?

F: Geld, wie die Menschen es sich heute vorstellen, also werthaltige Einheiten, die in Tauschprozessen weitergereicht werden, existiert überhaupt nicht. Unser Geld wird von Geschäftsbanken in einem Buchungssatz erzeugt und zwar als doppelte Schuld, des Kreditnehmers gegenüber der Bank ebenso wie der Bank gegenüber dem Kreditnehmer bzw. der Zentralbank und damit letztlich dem Steuerzahler.

Anstatt diese doppelte Schuld, buchungstechnisch korrekt, gleich bei Entstehung wieder auszulöschen, wird sie in einem Karussell weitergereicht, nur damit die reichsten Menschen der Bevölkerung leistungslose Einkommen an Staatsanleihen und anderen Schuldtiteln verdienen können. Dabei verleiht niemand etwas, sondern es wird alles einfach nur gebucht. Daher kann Banken das heutige Geld auch niemals knapp werden, denn Buchungszeilen kann man endlos generieren.

Das ganze Tauschmodell ist daher schon heute grundfalsch. Wer etwas leistet, nur um eine Gegenleistung zu erhalten, die noch dazu einen höheren Wert als die eigene Leistung besitzt, ist moralisch eindeutig zu verurteilen. Diese Form der Gier ist auch gar nicht die Grundlage unserer heutigen Leistung, da Geld kein Tauschobjekt sondern ein Buchungseintrag ist. Die Menschen werden das in der Masse aber nur sehr langsam begreifen, wie sie Jahrhunderte lang mit sinnlosen Zahlen zum Narren gehalten wurden.

Wir könnten aber in den internetgestützten Rechnernetzen ein kooperatives Wirtschaftssystem aufbauen, bei dem alle selbstbestimmt zusammenarbeiten, ihre Fähigkeiten einbringen und ihr Wissen weitergeben und dafür mit elektronischen Gutscheinen für Güter und Dienstleistungen belohnt werden.

A: Du bist ja selbst in dem einen oder anderen Projekt zur konkreten Veränderung dieser Missstände involviert. Wie sehen diese Systeme genau aus, und worin siehst du genau die Vorteile des Systems (im Gegensatz zum momentanen System)? (Alternativ, falls du keine Details dazu preisgeben willst: Wie könnte so ein alternativer Zugang im Detail aussehen?)

F: Wie bereits erwähnt muss sich das gesellschaftliche Denken in der Wirtschaft vom Tauschgedanken lösen und zur selbstbestimmten Kooperation führen. Zunächst sollten wir, um den Crash aufzufangen, für die Menschen einen Rechnungskreis für Lebensmittel, Kleidung, Energie, Mieten etc., also einfach Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs einrichten.

Dort könnte, z.B. über die Sozialversicherungsnummer, jeder Bürger/jede Bürgerin einen Kreditrahmen eingeräumt erhalten, einfach um zu konsumieren, also zu leben. Wenn die Menschen dann ihren normalen Tätigkeiten weiterhin nachgehen, werden ihre Löhne/Gehälter schrittweise erhöht, indem sie – aber ohne Formalität und Haftung, einfach durch Mitgliedschaft in der online community – in selbständige Unternehmer transformiert werden, sodass für die heutigen Unternehmenseigentümer sämtliche Personalkosten entfallen. Ihr Einkommen wird in Zukunft durch die Art und Weise bestimmt, wie sie ihre Tätigkeiten ausführen, wie kreativ und kooperativ sie sind etc. Dafür werden eigene Berater ausgebildet, welche die heutigen Bankmitarbeiter ersetzen. Die Lebenskredite sind weder verzinst noch rückzahlbar. Es handelt sich um reine Kaufkraft.

Da die Preise in diesem System - alle Transaktionen werden ausschließlich elektronisch, also über Karten oder Smartphones ausgeführt – jederzeit zentral gesteuert bzw. angepasst werden können, kann ein Monopolist gegen diese Regelung unmöglich verstoßen. Diese Preise werden aber nicht im Eigeninteresse des jeweils mächtigeren Marktteilnehmers dem anderen aufoktroyiert, wie in der heute praktizierten „freien Marktwirtschaft“, sondern ein Team von Preisberatern versucht Preise so zu regeln, dass alle beteiligten Parteien bestmöglich davon profitieren. Dabei muss keine fixe Zahl herauskommen, das kann auch eine Staffel oder ein Algorithmus sein, der von der Zeitachse oder beliebigen anderen Bedingungen abhängt.

Da ja alle Transaktionen in der Datenbank jederzeit verfügbar sind, existiert für jeden Menschen sein persönlicher Warenkorb. Der Berater dieses Menschen kann also jederzeit für ihn persönlich, in Abhängigkeit von seinem Alter, seiner selbst gewählten Entwicklungsrichtung oder Lebensphase, die Kaufkraft sowie die Form seiner Mitwirkung in der Gemeinschaft neu konfigurieren, so individuell, wie sein Fingerabdruck oder seine DNS. Wir erschaffen damit erstmals ein vollelektronisches Geldsystem, das sich an jeden einzelnen Menschen anpasst, anstatt immer wieder die Menschen an ein starres politisches System anzupassen, das immer nur den Interessen einer kleinen, mächtigen Personengruppe dient.

A: Als Kritiker des Systems läuft man natürlich Gefahr, selbst in das Schussfeld der Kritik zu gelangen. Ich denke da auch an meine eigenen Erfahrungen an der Universität Graz zurück. Hast du in den letzten paar Jahren eine Zunahme an negativen Reaktionen anderer dir gegenüber beobachtet, bzw. erlebt? Und wie lebt es sich auf der Wirtschaftsuniversität als Kritiker gerade dieses Zuganges zu Währungssystem und Geldpolitik?

F: Die Menschen in meinem Umfeld kennen meine Ideen und Meinungen schon seit vielen Jahren. Sie haben erkannt, dass ich weder ein blinder Fanatiker, der andere um jeden Preis überzeugen muss, noch ein weltfremder Spinner bin, sondern einfach ein Wissenschaftler, dem die Fortentwicklung seiner Disziplin zum größtmöglichen Gemeinwohl ein echtes Anliegen ist.

Insofern wird meine Tätigkeit auch von allen respektiert und, innerhalb der Grenzen von Berufsständen sowie den sie tragenden Dogmen, unterstützt. Menschen sind ja zum Glück lernfähig. Die Geldfrage sitzt aber leider sehr tief im emotionalen Bereich und dort ist die Lerngeschwindigkeit sehr gering und kann, wenn überhaupt, oftmals nur durch persönliches Erleben wie Konkurs oder den längeren Kontakt mit völlig anderen Kulturen beschleunigt werden.

A: Der Bildungsbereich, sollte man meinen, ist ja noch ein letztes Refugium freidenkender Menschen. Leider ist dem oftmals nicht (mehr) so, siehe u.a. die Thesen von Andreas Salcher, der die Mängel in Ausbildung und Lehre bezüglich Begabungsförderung ja sehr anschaulich beschreibt. Was müsste man im Bildungsbereich (d.h. SOWOHL die Ausbildung ALS AUCH den Austausch zwischen den Wissenschaften betreffend) deiner Meinung nach verändern, um Mehr-Wert zu schaffen?

F: Unser heutiges Bildungssystem ist leider komplett gescheitert. Das betrifft sowohl die Schulen als auch die Hochschulen. In diesen Institutionen wird nicht gelernt, sondern ausschließlich geistig kopiert, also nachgeäfft.

Keine Lehrkraft, die einen Schüler befragt, erhielt jemals das zur Antwort, was der Schüler darüber wirklich weiß, sondern immer nur das, wovon der Schüler dachte, dass es die Lehrkraft hören wolle. Aber (Hoch-)Schulen sollen auch kein Wissen und keine Fähigkeiten vermitteln, sondern die soziale Schichtung in unseren Ländern erzeugen, und zwar auf eine Art und Weise, dass alle mit ihrer Schicht und ihrer Nische möglichst zufrieden sind.

Wenn man daher den Mythos erzeugen kann, es läge am „mangelnden Wissen“ oder der „mangelnden (Aus)Bildung“, dass der eigene Lebensstandard geringer ist, als jener anderer Mitmenschen, dann ist das eine tragfähige Legende, welche eine Zeit lang den sozialen Frieden aufrecht erhalten kann. Erst wenn die Bevölkerung flächendeckend erkennt, dass im „Bildungssystem“ ohnehin nichts gelernt wird, weil das Aufzählen von Fakten nutzlos ist, wenn man es jederzeit, und zwar nur bei Bedarf, aus dem Internet abrufen kann und die eintrainierten Fakten zwei Tage nach der Prüfung alle wieder vergessen sind, werden hoffentlich auch Initiativen entstehen, die diese Gehirnwäsche-Anstalten unter Protest verbieten.

A: Siehst du da derzeit einen eher positiven, oder eher einen negativen, Trend zu „echter Bildung“ im Gegensatz zu „Unbildung“?

F: In unserer Gesellschaft wurden weder der Begriff „Bildung“ noch der Begriff „Leistung“ jemals sinnvoll und konsensfähig (also demokratisch!) definiert. Es handelt sich in beiden Fällen nur um leere Worthülsen, die als Scheinbegründung für fragwürdigen Reichtum durch Erbschaft und Korruption herhalten müssen. Aus diesem Grunde sind wir auch weder eine Leistungs- noch eine Bildungsgesellschaft. Wenn man sich die Figuren in Wirtschaft und Politik näher betrachtet, dann wird ja auch sofort sonnenklar, dass diese Menschen gar nicht in der Lage sind, diese beiden Begriffe sinnvoll zu interpretieren.

A: Wenn man dich privat etwas kennt, tut sich- neben dem Image als Wirtschaftsprofessor und Buchautor- ein ganz anderer, umso vielschichtiger Mikrokosmos, auf.

Meine abschließende Frage dreht sich daher- wie bei all meinen Interviews- um das Thema Masken und Maskierungen. Wir tragen- im Status Quo- ja alle irgendwann einmal eine Maske: sei es, weil sie tatsächlich notwendig sind, sei es, weil wir es nicht anders gelernt haben, oder sei es, um uns selbst – oder andere- zu schützen. Welche Masken würdest du sagen, sind notwendig, wenn überhaupt, und wo bzw. wann setzt du selbst solche auf?

F: Ich denke in diesem Zusammenhang vielleicht weniger an die Metapher einer Maske, die ja statisch ist und nur einen Körperteil, nämlich das Gesicht, bedeckt, sondern mein Bild ist eher das einer multiplen Persönlichkeit.

In der Tat sind wir in der heutigen Gesellschaft oftmals gezwungen teils absurde Spiele in mühsamen Rollen zu spielen. Dies kann, denke ich, nur glaubhaft gelingen, wenn wir uns, so wie gute Schauspieler, wirklich ganz in diese Rolle hineinleben und mit jeder Faser und jedem Gedanken darin aufgehen.

Dennoch sollten wir aber dabei noch einen inneren Kern von Persönlichkeit bewahren der dabei leidenschaftslos Regie führt und dafür sorgt, dass die einzelnen Akteure zum gegebenen Zeitpunkt auch wieder die Bühne verlassen. Gelingt dies nämlich nicht, dann nimmt das Drama zwingend pathologische Züge an.

Ich selbst steuere diese Vorgänge rein intuitiv und weigere mich auch, sie verbal detailliert zu formulieren, denn dadurch würde ich ihre absurde Existenz akzeptieren und diesen sozialen Rollen noch mehr Kraft geben. Durch die begriffliche Unbestimmtheit aber, in der ich immer zwischen diesen Rollen schwimme, liegt meine Macht sie zu transzendieren und auch andere Menschen dazu zu ermutigen sie Schritt für Schritt immer weiter aufzubrechen.

Wenn man etwas wirklich verändern möchte, gibt es keinen schlimmeren Fehler als es durch sprachlich exakte Begriffe zu fixieren. Je diffuser die Vorstellung von der Sache, desto schneller verschwindet sie auch im Bewußtsein.

A: Lieber Franz, ich danke dir für dieses interessante und aufschlussreiche Gespräch und wünsche dir noch einen angenehmen Tag.
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Note: this interview will temporarily be published in my blog- until I find another, more suitable, place for it.

The intended publisher, suite101.de, has restrictions concerning the number of words published on their site, and I resisted their suggestion to "shorten" (a.k.a. castrate) the text.

Until I take it out, I would like to share it with my friends. :) It is a beautiful text.
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